Mit Beschluss vom 04.12.2023 (Az. 7 L 980/23) hat das Verwaltungsgericht Aachen in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren die Rechtswidrigkeit des generellen Anwendungsverbots Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 gemäß §§ 1, 9 Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bestätigt. Der Eilantrag wurde zwar in formeller Hinsicht vom Verwaltungsgericht abgelehnt, in der Sache hat es aber die Rechtsauffassung der Antragsteller bestätigt. Der Eilantrag wurde von Landwirten eingereicht.
Die Kammer weist in der Begründung zunächst auf die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2023/2660 vom 28.11.2023 hin. Die Verordnung gelte ab dem 16.12.2023 (vgl. Art. 3). Sie sei in allen ihren Teilen verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Im Rahmen des Eilverfahrens kontaktierte die Kammer nach Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2023/2660 das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Auf Anfrage erklärte das BMEL mit Schreiben vom 30.11.2023 gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass das Ministerium derzeit den Erlass einer Eilrechtsverordnung zur Anpassung der geltenden Regelungen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung an die neuen unionsrechtlichen Vorgaben prüfe; die Verordnung könne noch vor dem Jahreswechsel in Kraft treten.
Vor dem Hintergrund der Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2023/2660 und der Ankündigung des BMEL bewertet es die Kammer explizit „als fernliegend, dass das Verbot der Anwendung Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024, wie bisher in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vorgesehen, gegenüber den Antragstellern noch durchgesetzt werden könnte“.
Zudem weist das Verwaltungsgericht auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts hin. Das Gericht bestätigt, dass eine Vorschrift, die die Anwendung Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel unter Strafe verbietet, mit der dies gerade erlaubenden Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2023/2660 nicht in Einklang gebracht werden kann, mithin spätestens ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbotes unionsrechtswidrig sei. Dies so – so die Kammer ausdrücklich – sei mit Händen zu greifen. In dieser Konstellation ist nach Auffassung der Kammer eine Bestrafung nicht mehr vorstellbar: Gegenüber der nationalen Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung kommt der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2023/2660 Anwendungsvorrang zu. Daraus folge, dass sich das Unionsrecht uneingeschränkt gegen entgegenstehendes nationales Recht durchsetze und die nationalen Verwaltungsbehörden – soweit eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich sei – entgegenstehende innerstaatliche Vorschriften nicht anwenden dürfen. Die Feststellung eines Verstoßes gegen eine unionsrechtswidrige Vorschrift könne kein geeigneter Ansatzpunkt für eine Strafverfolgung bilden.
Dies gelte auch mit Blick auf die denkbare Kürzung landwirtschaftlicher Prämien. Die Kammer bestätigt, dass der Einsatz Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 nicht als Cross Compliance-Verstoß gewertet werden könne. Dem stehe der Anwendungsvorrang des Unionsrechts entgegen. Die Annahme eines Cross Compliance-Verstoßes scheide bei einer unwirksamen bzw. unionsrechtswidrigen Regelung von vornherein aus.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden.